Kennst Du den Unterschied zwischen Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit?
Wusstest Du, dass Du für die Erziehung eines Kindes zwei unterschiedliche rentenrechtlich relevante Zeiten bei der Deutschen Rentenversicherung angerechnet bekommst? Tatsächlich wissen das nur die Wenigsten…
Dabei sind beide Zeiten für dasselbe Kind aneinander gekoppelt. Beide rentenrechtlichen Zeiten werden im SGB IV (sechstes Sozialgesetzbuch), §§ 54, 56, 57, geregelt und sollen eventuelle Lücken in den Rentenversicherungsverläufen schließen, damit sich die Erziehungszeit für die Kinder nicht negativ auf den Ruhestand auswirkt.
Kindererziehungszeit
Zum einen gibt es die sog. Kindererziehungszeit. Sie wird dem Elternteil für höchstens 3 Jahre angerechnet (für Kinder, die ab dem 01.01.1992 geboren sind; für Kinder, die vorher geboren sind, lediglich 2 Jahre), der das Kind erzogen hat. Sie wird ab dem Monat nach der Geburt monatsweise berechnet, wenn Dein Kind z. B. am 12.02.2018 zur Welt gekommen ist, wird die Kindererziehungszeit ab dem 01.03.2018 bis zum 28.02.20121 „vorgemerkt“. Die Kindererziehungszeit gilt für jedes Kind gleichmäßig, also auch wenn mehrere Kinder gleichzeitig erzogen werden. Sie wird, falls nicht separat beantragt, später beim Rentenantrag automatisch der Mutter angerechnet. Du solltest allerdings dennoch schon vorher einen entsprechenden Antrag stellen, denn die Kindererziehungszeit wirkt sich unmittelbar rentensteigernd aus. Du sammelst also in dieser Zeit Entgeltpunkte, die sich später bei der Berechnung der Rentenhöhe positiv auswirken. Dabei orientiert sich die Höhe der Rentenbeiträge, die Du während der Kindererziehungszeit erhältst an dem Durchschnittsgehalt eines Mitglieds der deutschen Rentenversicherung, das sind derzeit immerhin etwas mehr als EUR 3.000 brutto. In dieser Höhe werden also während dieser Zeit Rentenansprüche erworben. Die (pauschale) Beitragszahlung erfolgt quasi durch den Bund.
Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung
Zum anderen gibt es die sog. Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung (KiBüZ). Die Berücksichtigungszeit kann für die Zeit bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres eines Kindes beantragt werden, sie wird direkt ab dem Tag der Geburt berechnet (anders als die Kindererziehungszeit). In unserem obigen Beispiel, ab dem 12.02.2018 bis zum 11.02.2028. Diese besondere und zusätzliche Berücksichtigungszeit wird nicht automatisch angerechnet, sondern muss separat beantragt werden. Da die Wenigsten davon wissen, wird die Beantragung der Anrechnung dieser Zeiten leider viel zu oft übersehen, insbesondere weil die Anrechnung ausschließlich rückwirkend erfolgt. Eigentlich solltest Du sie sinnvollerweise erst nach dem 10. Geburtstag des jüngsten Kindes beantragen. Da hierfür allerdings das gleiche Formular wie für die Kindererziehungszeit verwendet wird, fällt der Zeitraum nach der Einreichung des Antrags zumeist „hinten runter“. Die Berücksichtigungszeit wirkt sich nur indirekt auf rentenrechtliche Zeiten aus (z.B. günstigere Bewertung bei Wartezeiten bei vorzeitiger Altersrente, 45 Jahre bei Altersrente für besonders langjährig Versicherte – rentenbegründend).
Wichtig ist in jedem Fall, dass Du diese Zeiten der Deutschen Rentenversicherung mitteilst, die Anrechnung erfolgt in beiden Fällen nicht unbedingt automatisch. Hierfür gibt es das Formular (V0800) sowie entsprechende Erläuterungen (V0810), die Du bei der Deutschen Rentenversicherung kostenlos runterladen kannst. Gerne bin ich Dir beim Ausfüllen und Einreichen behilflich.
Selbstverständlich gelten für die Anrechnung der Rentenansprüche (Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit) bestimmte (identische) Voraussetzungen, die auch während des gesamten Zeitraums vorliegen müssen:
- Eine Geburtsurkunde oder Auszug aus dem Familienbuch/Stammbuch sowie eine Kopie des Personalausweises/Reisepasses muss eingereicht werden.
- Die Erziehung ist im Gebiet der BRD oder der ehem. DDR erfolgt (oder ist einem solchen Gebiet gleichgestellt), irrelevant ist dabei die Staatsangehörigkeit sowohl des Kinders als auch des Elternteils.
- Für Mehrlingsgeburten wird die Kindererziehungszeit doppelt (oder dreifach oder mehr) berücksichtigt, die Berücksichtigungszeit jedoch nicht, sie wird nur einmal anerkannt.
- Als Elternteile mit Anspruch auf Berücksichtigungszeiten kommen alle erziehenden Elternteile in Frage, also leibliche Eltern, Adoptiveltern, Stief- und Pflegeeltern (zusätzliches Formular V0805 und erläuternd V0811).
- Zudem muss das Kind im eigenen Haushalt erzogen werden/worden sein.
- Erziehst Du mehrere Kinder gleichzeitig, werden die Berücksichtigungszeiten zusammengefasst. Die Berücksichtigungszeit beginnt mit dem Geburtstag des ersten (ältesten) Kindes und endet am Tag vor dem 10. Geburtstag des letzten (jüngsten) Kindes. Anders als bei der Kindererziehungszeit gibt es hier keine Verlängerung für gleichzeitig vorliegende Zeiten.
Insgesamt werden 9 Jahre Kinderziehungszeiten angerechnet.
Insgesamt werden 15 Jahre Berücksichtigungszeiten gutgeschrieben. - Für Selbstständige, die ihr Gewerbe mehr als nur geringfügig ausüben, kommen diese Zeiten nur in Betracht, wenn auch Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung vorliegen, z.B. während der Kindererziehungszeit oder durch Pflichtbeiträge während der selbstständigen Tätigkeit.
- Für Beamte können die Erziehungszeiten nicht berücksichtigt werden, da Beamte Pension beziehen. Hier wird durch das Addieren von Kinderzuschlägen die Anrechnung von Kindererziehungszeiten berücksichtigt.
- Die Berücksichtigungszeit kann nur bei einem Elternteil angerechnet werden, und zwar dem Elternteil, bei dem auch die Kindererziehungszeit angerechnet wird (automatisch zunächst die Mutter). Der andere Elternteil muss ausdrücklich auf die Anrechnung verzichten bzw. übereinstimmend erklären, dass er mit der Anrechnung der Zeiten auf den anderen Elternteil einverstanden ist. Sollen einer anderen Person die Versicherungsvorteile angerechnet werden, so muss dies für die Zukunft (max. 2 Monate rückwirkend) einvernehmlich von beiden Elternteilen beantragt werden.
- Die Kindererziehungszeit wird automatisch dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat (in der Regel die Mutter), außer es wird etwas anderes beantragt. Dann können Kindererziehungszeiten auch unter den Elternteilen aufgeteilt und sogar mehrfach gewechselt werden (nur volle Kalendermonate) für zukünftige Zeiten (oder max. 2 Monate rückwirkend) (Formular V0820).
Mütterrente
Die sog. Mütterrente gilt für alle Mamis (und auch Papis), deren Kinder vor 1992 geboren sind. Bis zum 30. Juni 2014 konnte für sie nur ein Jahr Kindererziehungszeit berücksichtig werden. Seit der Reform wird rentenrechtlich später nunmehr ein weiteres Jahr Kindererziehungszeit angerechnet, also insgesamt zwei Jahre. Die Erhöhung dieser Zeit soll eine bessere rentenrechtliche Anerkennung der relevanten Erziehungszeiten gewährleisten.
Eine aktuelle Faltbroschüre darüber findest Du hier auf der Website der Deutschen Rentenversicherung.
Ich bin Dir beim Ausfüllen oder Einreichen der Formulare behilflich oder beantworte Dir weitere Fragen zu diesem Thema.
Quellen:
- https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/04_formulare_und_antraege/_pdf/V0800.pdf?__blob=publicationFile&v=29
- http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/232676/publicationFile/56110/kindererziehung_plus_fer_die_rente.pdf
- https://sozialversicherung-kompetent.de/rentenversicherung/versicherungsrecht/314-rentenrechtliche-zeiten-beruecksichtigungszeiten.html
- https://www.familienhandbuch.de/unterstuetzungsangebote/finanz/Kindererziehungszeiten.php
- https://www.haufe.de/sozialwesen/sgb-office-professional/beruecksichtigungszeiten-kindererziehung-und-pflege_idesk_PI434_HI523508.html
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